Unterwegs mit dem Rad und was mir dabei so eingefallen ist
Losgefahren an einem Sonntag im August, entlang der Vils und Lauterach bis nach Kastl, dort einen Freund besucht und in seiner Garage zum ersten Mal ein Faltrad in Originalgröße gesehen.
Das hat mich dann auch die ganze Radtour nicht mehr losgelassen: wie bei Schwangeren, die auf einmal überall andere Schwangere sehen.
Bei der Weiterfahrt passierte ich zur Traumabewältigung dann die Stelle, wo ich mir im Juni 23 den Arm gebrochen hatte -seitdem fahre ich ohne Klickpedale. Damals wollte ich meine Freundin Juliane besuchen, nach dem Unfall holte sie mich samt Rad ab und brachte mich gleich ins Krankenhaus - ich werde ihr bis an mein Lebensende dankbar für ihre Tatkraft sein.
Dieses Mal bin ich jedenfalls nicht umgefallen und konnte Juliane sogar spontan besuchen, weil ihr Haus genau auf meiner Route nach Nürnberg lag und sie gerade beim Marmelade kochen und deswegen daheim war.
In Nürnberg durfte ich bei Mona und Jens übernachten und wollte am nächsten Tag einen Zug nach Berlin nehmen. Am Bahnhof bin ich dann in den falschen Zug eingestiegen, der fuhr zwar zur richtigen Zeit am richtigen Gleis ab, war aber ein verspäteter früherer Zug. Die Reservierung für mich und das Rad haben dann natürlich nicht gepasst, ich musste mit dem Fahrkartenkontrolleur diskutieren und nochmal umsteigen - so war die Hinfahrt nach Berlin recht unterhaltsam ;-)
Der Mauerradweg passiert ja fast den Hauptbahnhof und ich war schon froh, als ich dann auf dem Weg war. Ich wollte den Radweg entgegen dem Uhrzeigersinn fahren und bin nach Norden gestartet unterwegs konnte ich mich noch mit Freunden treffen, die am Montagnachmittag Zeit für ein Wiedersehen hatten.
Mein Übernachtungsplatz war in Hermsdorf und auf dem Weg dahin war ich schon in sehr ländlicher Gegend mit Biotopen und abwechslungsreicher Tierwelt. Es ist schon beeindruckend, was in der Natur wächst, wenn man das zulässt. Dass es sowas so nahe an Berlin gibt, hätte ich nicht gedacht. Mein Gastgeber Matthias hat mir viel erzählt über die soziokulturellen Hintergründe dieser Gegend.
Auf dem Radweg gibt es viele Schautafeln mit Texten und Bildern und einige Wachtürme sind begehbar. Der Weg ist echt abwechslungsreich, sowohl vom Untergrund her als auch von der Aussicht. Ausgeschildert ist er auch ziemlich gut und vor einiger Zeit war dort wohl auch ein Ultralauf (~160 km!), der großzügig mit aufgesprühten grünen Pfeilen ausgewiesen war. Am Wannsee konnte ich ein Meer von Blaualgen in Bewegungsehen - und riechen :-(
Meine nächste Übernachtung war in Babelsberg und diese Stadt hat’s mir echt angetan: Kopfsteinpflaster, bunte und niedrige Häuser, kleine Geschäfte und ein großer, wilder Park. Mein Gastgeber Albrecht hatte auch ein Faltrad, das ich bei einer gemeinsamen abendlichen Radtour durch Potsdam und Babelsberg ausprobieren durfte.
Am nächsten Tag war ich sehr lange im Filmmuseum Potsdam, das natürlich den Filmstudios in Babelsberg viel Raum widmet.
Danach besuchte ich eine Freundin, bei der ich vor über 30 Jahren mal eine Zeitlang gewohnt hatte und die ich vor vielleicht 8 Jahren das letzte Mal gesehen habe.
Später bin ich am südlichen Mauerweg weiter Richtung Osten und durfte dann bei einer echten Studenten-WG in einem wunderschönen alten Gutshaus übernachten. Leider mussten sie Ende Oktober ausziehen und teilweise waren sie das auch schon, aber so hatte ich ein riesiges Zimmer mit Parkettboden und toller Aussicht für mich.
Am nächsten Tag bin ich nochmal weg vom Mauer-Radweg und zum Tempelhofer Feld gefahren, wo ich die Rollbahn hin und her bin, mal bei strammem Gegenwind und dann natürlich auch mal mit viel Rückenwind. Später bin ich wieder auf den Mauer-Radweg und dann bis nach Treptow gefahren, wo ich die nächsten 2 Tage bei meiner Freundin Andrea übernachtete.
Ein ganz besonderes Erlebnis war für mich ein Ausflug in die Uckermark, wo wir mit einem Freund von Andrea an einen superschönen See geradelt sind und - wie sich das im „Osten“ gehört - nacktgebadet haben. Das war sehr schön und für mich tatsächlich auch das erste Mal.
In Berlin bin ich dann natürlich auch viele Wege abgefahren, die ich von 1991 noch kannte. Mein damaliger Radweg zur Arbeit von Friedrichshain bis zum Ku’damm führte mich immer unter den Linden durch das Brandenburger Tor und durch den Tiergarten bis zum Zoo. Ist jetzt nicht mehr so schön zu fahren, aber immerhin habe ich noch die schönen Erinnerungen.
Im Tiergarten bin ich dann zum dritten Mal auf das Faltrad aufmerksam geworden, sein Besitzer hat es ausführlich angepriesen und da hat sich mein „will-ich-haben“ Wunsch stark gefestigt.
Meine Heimfahrt am nächsten Tag begann im Zug bis nach Nürnberg, wo ich in einem netten Hotel übernachtete, das ich bei einer früheren Nürnberg-Reise mit Zoe entdeckt hatte. Das wird sehr radlergerecht geführt, von der Fahrradaufbewahrung bis zum nahrhaften Frühstück. Sonst frühstücke ich ja nie, aber an dem Tag hatte ich noch 100 km inklusive der Überquerung der europäischen Wasserscheide vor mir und da wollte ich dann doch mit vollem Bauch losfahren. Bis zum Schluss hat‘s dann doch nicht ganz gereicht, an einer Tanke in Sulzbach habe ich mir für die letzten 40 km noch ein Spezi gekauft.
Als ich wieder daheim war hat sich nach kurzer Bedenkzeit mein Wunsch auf ein Faltrad zum Radladen getrieben und kurz vor meiner Düsseldorf-Reise konnte ich es abholen.
Da wollte ich hin, weil ich ein Konzert der Meute mit Lina besuchen wollte. Wien ist Walzer, Berlin Punkrock und Düsseldorf Elektro. Wunderbar stimmiger Abend mit Lina im Oktober, tagsüber haben wir uns viel Kunst in Ausstellungen angeschaut.
Jetzt habe ich ja ein Faltrad, das immer mit in den Zug darf und meinen Reiseradius erheblich erweitert. Passt natürlich auch ins Auto, sogar in meinen Smart, den ich seit März habe. Mein altes Auto hat den TÜV leider nicht mehr bestanden und verkehrt jetzt wahrscheinlich in einem anderen Land. Ich war lange Jahre glücklich mit meinem Mitsubishi und bemerkenswerterweise war in der Mitsubishi-Halle ja auch der super-rhythmische Auftritt der Meute. Domo arigato!
Als ich in Düsseldorf war, fand die Buchpreisverleihung statt, wo sich Clemens Meyer scheinbar furchtbar aufgeregt hat, weil er den Hauptpreis nicht bekommen hat. Er ist ja schon ein Fuchs mit seinem werbewirksamen Poltern, da hat er auch mich erwischt, aber ich wollte das Buch eh lesen - weil es über 1000 Seiten hat, aber nur auf dem Tolino und nicht in der gebundenen Version. Jetzt kam dazu, dass ich auf der Hinfahrt nach Düsseldorf gemerkt habe, dass mein Bibliotheksausweis abgelaufen war und ich deswegen nix ausleihen konnte. Also musste ich mir ja ein ebook kaufen und da hab ich gleich die Gelegenheit genutzt und die Projektoren erworben. Bis die auf dem Tolino waren, hat es dann noch eine Weile gedauert, aber ich konnte auf meiner Heimfahrt im Zug mit dem Werk beginnen.
Sonst läuft bei mir fast immer ein Hörbuch, gerade wegen dem 100sten Geburtstag der Zauberberg und seit gestern zusätzlich noch der Zauberberg 2 von Heinz Strunk, der liest ihn selber vor und macht ihn lebendig.
Der alte Zauberberg wird von Gert Westphal gelesen und läuft etappenweise, immer nur etwa 30 Minuten, es gibt 40 Folgen, verfügbar sind sie immer erst am Nachmittag und dann auch nur für jeweils eine Woche. Als ich diesen Podcast gefunden hatte, waren die ersten 7 Folgen schon nicht mehr im Angebot, das habe ich dann halt gelesen und mich dabei an das Erstlesen des Buches 1998 erinnert, unter anderem in einem Folienhaus einer Gärtnerei bei der Mittagspause.
Damals war ich nämlich Gärtnerin und das will ich nächstes Jahr auch wieder werden. Schon auch noch im Bioladen arbeiten - wegen der Leute dort - aber weniger, damit ich Zeit für 2 Tage Gartenbau und -Pflege habe. Ich weiß nicht, wie‘s mir damit gehen wird, deswegen probiere ich das nächstes Frühjahr einfach mal aus.
Einen anderen von mir hochgeschätzten Vorleser habe ich übrigens heuer im Theater gesehen und gehört: Christian Brückner hat in Regensburg den Maelstrom von Poe gelesen, er hatte sogar eine Band dabei. Ich bin sehr glücklich, dass ich ihn erleben durfte, er ist ja auch schon über 80. Seine Lesungen sind für mich wie Filme und ich durfte mit ihm schon viel gute Literatur erleben.
An seinem Leseabend bin ich mit meinem neuen Rad ins Theater gefahren, das hatte ich in der Woche vorher bekommen und jetzt war es also das erste Mal im Einsatz. Nach meiner Arbeit im Biomarkt bin ich mit dem Auto zum Stadtrand von Regensburg, hab dann das Rad entfaltet und bin losgefahren. Das war schon ein besonderes Gefühl der Mobilität und trotz des Regens habe ich mich sehr gefreut, dass ich sowas machen konnte.
Christian Brückner hat übrigens auch Moby Dick komplett eingelesen und auch dort ist von einem norwegischen Maelstrom die Rede, das ist mir beim Selberlesen 2003 natürlich nicht besonders aufgefallen. Jetzt höre und verstehe ich viel mehr, hab‘s mir im Original auch mal auf den Tolino geladen - dann bin ich nicht buchlos, wenn der Büchereiausweis wieder abläuft.
Das ist jetzt vielleicht alles ein bisschen wirr, aber ich habe mir eine Frist gesetzt, bis wann dieser Beitrag online gestellt wird. Deswegen kein großes Lektorieren mehr, einfach weg damit und damit wieder den Kopf frei für andere Baustellen, als da wären: Posaune spielen, tschechisch lernen, Yoga, handarbeiten (nähen, klöppeln, stricken, häkeln) und natürlich lesen. Davon würde ich gerne jeden Tag ein bisschen was machen. Für auswärts arbeiten ist da nicht wirklich viel Zeit, aber ich probier‘s jetzt einfach mal.
Radfahren würd ich eigentlich auch gerne täglich und jetzt wäre eine gute Zeit für das Fat-Bike, aber derzeit bin ich noch zu faul zum Radeln im Winter.
Tägliches Frühschwimmen in der Vils geht, aber zu was anderem kann ich mich grad nicht motivieren.
Jetzt ist es 17 Uhr an Sylvester und ich beende diesen Text, will nachher noch tschechisch lernen und meine Steuerunterlagen von 2014 wegschmeissen – das wird ein Abend!